Unser neues Projekt handelt von Transparenz fĂĽr ganz Berlin. Marie JĂĽnemann steht Rede und Antwort.
Was macht ihr da eigentlich?
Wir haben ein Transparenzgesetz für Berlin geschrieben. Es ist 2019 und ich muss immer noch einen Antrag an die Verwaltung schreiben, wenn ich wissen will, was in meinem Bezirk passiert. Das geht gar nicht. Wir wollen ein ganz einfaches Online-Portal schaffen, mit dem alle Berliner schnell und einfach wissen können, was in ihrer Stadt passiert.
Wer sind die Initiatoren?
Das sind wir vom Mehr Demokratie e.V. und die Open Knowledge Foundation. Die Open Knowledge Foundation betreibt das Portal „Frag den Staat“. Darüber kann man im Moment eben diese Anfragen an die Verwaltung stellen. Aber das ist immer noch sehr aufwendig und wir wollen, dass es einfacher wird.
Hamburg hat ja schon seit 7 Jahren ein Transparenzgesetz.
Ja, da gab es gute Erfahrungen. Sowohl die BĂĽrger nutzen das Portal als auch Journalisten und sogar die Verwaltung selbst. Weil alle Informationen an einem Ort sind, kommt die Verwaltung schnell an Dokumente und ist effizienter. Ausschlaggebend fĂĽr die Initiative war damals das GroĂźprojekt Elbphilharmonie, das viele Steuergelder gekostet hat. Durch das Transparenzgesetz sind Steuerverschwendung in diesem AusmaĂź heute Geschichte.
Wieso kommt das Transparenzgesetz erst jetzt, wenn ihr schon vor sieben Jahren den Hamburger geholfen habt, das Gesetz zu formulieren?
Insgesamt war der Gesetzentwurf zwei Jahre lang online einsehbar und wir haben ganz viele Meinungen und Kommentare von BĂĽrger*innen einflieĂźen lassen. Auch mit der Verwaltung haben wir uns zusammengesetzt und deren Perspektive einflieĂźen lassen. Wir wollen die Mitarbeiter dort natĂĽrlich nicht ĂĽberfordern. Zudem sind in unserem BĂĽndnis 40 zivilgesellschaftliche Organisation. Das zeigt, dass das Thema eigentlich fĂĽr so viele Initiativen wichtig ist. Nach all den Abstimmungen haben wir letztes Jahr dann das finales Gesetz gemacht und das Volksbegehren Anfang 2019 angestoĂźen.
Gibt’s nicht auch Dokumente und Themen, die geheimgehalten werden mĂĽssen, um zum Beispiel die Ă–ffentlichkeit zu schĂĽtzen?
Natürlich wollen wir durch unser Transparenzgesetz nicht, dass alle Informationen veröffentlicht werden. Persönliche und personenbezogene Daten bleiben geschützt, sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von landeseigenen Unternehmen. Auch wichtige Beratungen und Informationen zur inneren Sicherheit werden nicht rausgegeben.
Aber wir haben die Ausnahmefälle zur Veröffentlichungspflicht wirklich zur Ausnahme erklärt. Das heißt, wir haben bestimmte Fälle definiert, in dem das öffentliche Interesse dem Geheimhaltungsinteresse überwiegt, so dass die Öffentlichkeit wirklich wichtige Information in jedem Fall erfahren wird.
In Berlin gibt es ja bereits das Informationsfreiheitsgesetz. Was ist der Unterschied zu eurem Gesetzesentwurf?
Das Informationsfreiheitsgesetz bedeutet, dass ich als Berliner*in einen Antrag an die Verwaltung stellen muss, wenn ich wissen will, was in meinem Bezirk oder in der Berliner Politik geschieht. Wir wollen dieses Prinzip umdrehen: nicht ich als BĂĽrger*in muss der Verwaltung hinterherlaufen und nach Information fragen, sondern die Verwaltung und Politik muss alle wichtigen Informationen fĂĽr mich auf einem Online-Portal kostenlos zur VerfĂĽgung stellen.
Ihr seid ja nicht für die Digitalisierung generell zuständig, das muss Berlin schon selbst machen. Wie viel Prozent ist bereits digital?
Die Digitalisierung der Berliner Verwaltung geht sehr schleppend voran. Ab 2023 soll die E-Akte in Berlin eingeführt werden. Da wäre es natürlich passend, wenn das Transparenzgesetz parallel dazu eingeführt wird.
Jetzt sammelt ihr seit 1. August mindestens 20.000 gĂĽltige Unterschriften. Wer darf alles unterschreiben?
Unterschreiben darf jede Person, die in Berlin wahlberechtigt ist. Das bedeutet, du musst mindestens 18 Jahre alt sein, deinen festen Wohnsitz in Berlin haben und deutscher Staatsbürger sein. Volksbegehren darf man in Berlin leider nur händisch unterschreiben. Das bedeutet, du triffst uns entweder auf der Straße oder du lädst dir auf unserer Website Unterschriftenlisten runter und schickst sie uns unterschrieben zurück. Wo wir überall auf der Straße stehen, kannst du auf unserer Website ganz einfach auf unserer Karte sehen.
Wie reagieren die Menschen auf der StraĂźe?
Bei einem Volksbegehren muss man Menschen auf der Straße ansprechen. Im Alltag, in der großen Hektik die Menschen zum Stehen bleiben zu bewegen und ihnen zu erklären, was unser Volksbegehren will, ist nicht einfach. Aber, wenn sich die Menschen kurz Zeit nehmen für unser Thema, dann unterschreiben eigentlich alle, die wir ansprechen. Niemand hat etwas gegen Transparenz.
Und gab es schon lustige oder vielleicht nachdenkliche Situationen beim Sammeln oder schwierige Fragen?
Oft entgegnen uns Menschen, dass die Berliner Verwaltung doch sowieso schon ĂĽberfordert ist und unser Gesetz noch mehr Chaos bringe. Dem ist nicht so. Das Hamburger Transparenzgesetz hat gezeigt, dass die Verwaltung selbst von einem Transparenz-Portal profitieren kann. Weil auch fĂĽr sie alle Informationen an einem Ort sind.
Oft kommt auch die Frage: was betrifft mich das persönlich? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil es verschiedene Facetten gibt. Wenn ich wissen will, ob die Schule meiner Kinder baufällig ist oder wie gut das Kantinenessen ist, kann ich es auf dem Transparent-Portal nachschauen. Wenn ich wissen will, ob das Tempelhofer Feld demnächst bebaut wird, kann ich mögliche Baupläne schnell und einfach ansehen. Oder ich kann Dokumente anschauen, wenn ich wissen will, welche Verträge Berlin mit welchen Unternehmen abschließt.
Was guckst du als erstes auf dem Tranpsarenz-Portal nach?
Es gibt eine Berliner Initiative, die auf abgesägte Bäume Gesichter klebt und deshalb fällt mir in meinem Kiez auf, wieviele Bäume gerade gefällt werden. Das Erste, das ich auf dem Transparenz-Portal nachschauen würde, wäre: wieviele Bäume und warum werden in meinem Kiez gefällt? Ich finde Bäume gerade jetzt in der Zeit des Klimawandels und in so einer großen Stadt wichtig. Mein Herz brennt bei jedem einzelnen Baum, der gefällt wird.
Worauf seid ihr stolz?
Wir sind stolz darauf, ein Portal zu schaffen, dass das neue Wiki von Berlin wird. Alle Berliner*innen werden leicht und einfach an Informationen herankommen. AuĂźerdem sind wird stolz, ein BĂĽndnis aus ĂĽber 40 Organisationen aufgebaut haben. Nur, wer weiĂź, was in Berlin vor sich geht, kann aktiv werden und mitgestalten.
Was treibt dich persönlich an, das Transparenzgesetz auf den Weg zu bringen?
Weil ich politisch aktiv und interessiert bin, lese ich jeden Tag Zeitung, um zu wissen, was vor sich geht – groĂźe Zeitung und kleine, linke und konservative. Trotzdem stelle ich immer wieder fest, dass ich nicht informiert bin. Woran liegt das? Weil die Informationsrechte der Berliner*innen einfach schlecht geregelt sind. Wenn ich aus meinem WG-Zimmer schaue und ich nicht weiĂź, ob gegenĂĽber Sozialwohnungen oder Luxuswohnungen entstehen. Wenn ich einfach nicht verstehe, wieso die Radverkehrswende in Berlin nicht voran geht: All das wollen wir ändern. Wir wollen, dass alle Berliner ganz einfach auf politische Informationen zugreifen können und sofort wissen, was in ihrer Stadt passiert.
Was darf keiner ĂĽber dich wissen?
Marie lacht. Dass ich Akkordion spiele und zwar schon seit 14 Jahren. Das ist mir tatsächlich relativ unangenehm. Nicht, weil das Instrument nicht cool ist. Akkordion wird unterschätzt! Man kann so tolle, moderne Lieder darauf spielen. Sondern weil ich es nicht mag, vor anderen Leuten zu spielen. Ich mache das nur für mich, wenn ich zu Hause bin, alleine. Meine Mitbewohner dürfen nicht zu Hause sein. Das ist super zum Abschalten.
Wann? Am 11.9. im Klunkerkranich ab 19:30 Uhr.